Ralph Boes: Williger Helfer der Kreml-Propaganda

Seit einigen Tagen zelebriert der Anti-HartzIV-Aktivist Ralph Boes in Berlin ein öffentliches Sanktionshungern. Zum Hintergrund siehe ganz unten, „Zur Vorgeschichte“.

Was mich an dem Theater inzwischen am meisten ärgert, ist diese grenzenlose Naivität (ich unterstelle keine Absicht), mit der Boes sich von der russischen Propaganda-Maschine instrumentalisieren lässt.

Mal angenommen, ich stimmte mit den Prämissen von Boes überein und würde mit meiner öffentlichen Aktion auf die Missstände des Sozialsystems in Deutschland hinweisen wollen: Ich würde Reporter von Russia Today, die über meinen Fall berichten, entweder rausschmeißen oder ihnen vor laufender Kamera ihren überhaupt nicht vorhandenen russischen Sozialstaat um die Ohren hauen, in dem Menschen tatsächlich verhungern, weil es kein sie auffangendes System gibt.

Die Führung eines zunehmend totalitären Staates, der seinen eigenen Bürgern jegliche soziale Sicherheit verwehrt, lässt den deutschen Ableger seines Propaganda-Mediums einen deutschen Aktivisten interviewen, der vergleichsweise alberne Missstände im deutschen Sozialsystem kritisiert. Und Herr Boes macht bei dieser Schweinenummer begeistert mit.

Widerlich.

 

Zur Vorgeschichte:

Ralph Boes und andere gehen davon aus, dass HartzIV in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig ist – vor allem, weil es ihrer Ansicht nach gegen Art. 1 Grundgesetz verstößt (Würde des Menschen). Insbesondere die Sanktionierung – also das Knüpfen der finanziellen Hilfe an (als willkürlich erlebte) Bedingungen und die Streichung der Mittel bei Weigerung bzw. Zuwiderhandlung – wird als illegitim und entwürdigend betrachtet.

Da alle zuständigen Gerichte aber nur innerhalb der HartzIV-Gesetzgebung urteilen, kann man auf normalem Weg nie das ganze System in Frage stellen. Deshalb hat Boes sich so lange Sanktionen eingehandelt, bis er überhaupt kein Geld mehr bekommen hat (er lebt von freiwilligen Spenden), will so darauf aufmerksam machen, dass er nun eigentlich Hungers stürbe und dass genau das doch unwürdig und unmenschlich sei.

Man kann durchaus darüber streiten, ob die Initiative nicht vor dem Hintergrund des Grundgesetzes in der Tat prinzipiell Recht hat – und auch darüber, ob manch Bedingung bzw. Maßnahme in der Tat reine Beschäftigungstherapie ist (die manche Menschen allerdings brauchen).

Ich will aber auch nicht verschweigen, dass ich in diesem Fall dafür plädieren würde, die Debatte komplett offen zu führen; denn auch das Grundgesetz ist ja nur ein System und durchaus hinterfragbar.

Mir geht dieses m.E. völlig unreflektierte Anspruchsdenken der Boes-Initiative jedenfalls dermaßen auf den Senkel, dass mich eine solch tabulose Debatte tatsächlich reizen würde.

Ein Gedanke zu „Ralph Boes: Williger Helfer der Kreml-Propaganda“

  1. Felix, ich finde es gut, dass Du offensichtlich neue und bessere Ideen hättest, Ralph Boes darin zu unterstützen, die Sanktionsmaßnahmen hier in Deutschland zu verändern.Vielleicht hat er aus reiner Verzweiflung oder wie Du ja selbst sagst Naivität die Weitsicht nicht, zu erkennen, dass ein RTL Sender das falsche Medium ist, zumal es ja auch im Grunde keinen anderen öffentlichen Sender gibt, der das Thema öffentlichkeitswirksam z.B. in die Tagesthemen bringen würde. Weil Du so viel Wissen hast, setze es doch bitte auch ein! Das diene nicht nur Ralph Boes, sondern vielen anderen, die wirklich am Verzweifeln sind und nicht wissen, wie sie z.B. ihre Kinder bei Sanktionierungen mit dem Schulbus in die Schule bekommen sollen, weil das nur mit Monatskarte geht, deren Wert aber für die Lebensmittel der übrigen Kinder verbraucht werden muss und das Kind monatelang nicht in die Schule könnte, wenn es nicht täglich 25 Kilometer hin und 25 Kilometer zurück mit dem Fahrrad fahren würde. Und im Winter…und bei Regen.In der Oberstufe mit vielem Nachmittagsunterricht und Theaterproben für´s 12. Klassspiel, z.B.

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