Die Deutschen und der Krieg

Gedanken anlässlich des verzweifelten ukrainischen Verteidigungskrieges gegen die Aggression des Kreml – und anlässlich deutscher Reaktionen darauf.

Man rege sich nicht auf, es ist ein typisch deutscher Defekt: Die Deutschen denken bei jenem Krieg, den sie auf der Welt stets vermeiden wollen, immer an ihre Eltern und Großeltern, an deren Freunde und Verwandte in den Luftschutzkellern Hamburgs und Dresdens, statt an überfallene andere Länder, statt an die zig Millionen ermordeter Juden, Sinti und Roma, Homosexueller usw. usf. Sie denken nicht an die Verbrechen der Deutschen Wehrmacht und der SS, nicht an das Schlachten in deutschen KZs; sie denken an Bomben aus englischen und amerikanischen Flugzeugen. Dieser Krieg, den man in aktueller Stellvertretung jeweils ablehnt, ist der vernichtende Luftkrieg des anglo-amerikanischen Satans, weshalb man diesem Letzteren auch alles Böse und alle Niedertracht zutraut und ihn ewig schuldig spricht – genau so, wie man den Juden nie verzeihen wird, dass sie sich ausgerechnet auf deutschem Boden und von deutschen Herrenmenschen haben abschlachten lassen.

Es hat keinen Sinn, sich darob zu erregen; das ist tief in die kulturelle deutsche Genetik und das tradierte Narrativ integriert; es ist ein Reflex der Schuldabwehr. Man wird noch mindestens zwei Generationen brauchen, bis der Durchschnittsdeutsche wieder klar in die Welt blicken kann. Es ist auch nicht zwingend etwas Persönliches, sondern Ausdruck des kollektiven Gedächtnisses. Anders ist jedenfalls mir der Irrsinn, der deutsche Münder und Federn regelmäßig zum Thema Krieg und Frieden verlässt, nicht erklärbar.

Diese Perspektivenverzerrung, diese unerträgliche Äquidistanz zu Armeen – ganz gleich, worauf, aus welchem Grund und mit welchem Ziel sie schießen – einerseits, die Blindheit gegenüber stattfindenden Kriegen ohne amerikanische oder israelische Beteiligung andererseits findet ihren Gipfel darin, dass die deutsche Friedensbewegung sich mit ihrem Slogan „Nie wieder Krieg!“ seit Jahrzehnten auf den Schwur von Buchenwald beruft – wahnsinniger geht es nicht.

Der Schwur von Buchenwald ist ein Dokument des Dankes an die alliierten Befreiungs-Armeen und ein solches der Entschlossenheit des Kampfes gegen den aggressiven, Menschen mordenden Nazismus – gegen jeden aggressiven, Menschen mordenden Wahnsinn. Die Schreckensherrschaft Nazideutschlands ist nur durch den alliierten Krieg beendet, seine Ausdehnung nur durch diesen Krieg verhindert worden. Die Slogans „Nie wieder Auschwitz!“ und „Nie wieder Krieg!“ schließen einander im Fall der Fälle kategorisch aus.

Um es einmal mehr mit Wolfgang Pohrt zu sagen:

„… in der Tat hat Deutschland den Pazifismus diskreditiert und ad absurdum geführt, indem es praktisch vorgeführt und damit empirisch bewiesen hat, dass es Schlimmeres geben kann als den Krieg; dass Schrecken möglich sind, von denen nur eine starke Armee befreit. Deutschland selbst unter den Nazis war dieser Schrecken, gegen den es kein Mittel als Bomberflotten und Panzerverbände gab. Die Armee als wirklichen Befreier und den Krieg als wahren Sachverwalter und Vollstrecker der Menschlichkeit in die Weltgeschichte eingeführt zu haben ist das verhängnisvolle Verdienst dieses Landes.“